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Moritz Pfeiffer berichtet von seiner Teilnahme bei der TOUR-Challenge, einem viertägigen Rennen durch die Berge der Ostschweiz.

Tour Challenge 2013

Prolog: Bergzeitfahren in Davos, 10 Kilometer, 446 Höhenmeter

Die TOUR-Challenge war mein erklärtes Saisonziel in diesem Jahr: Eine Rundfahrt für Jedermann durchs Engadin und Graubünden, kürzer als die schwere (und immer schnell ausgebuchte) TOUR-Transalp, härter als ein eintägiger Radmarathon. Neben der sportlichen Herausforderung bezog die Veranstaltung für mich ihren Reiz auch aus der Tatsache, dass sie der Anlass war, einige Radsportfreunde aus Freiburger Studientagen wiederzutreffen.

Den Auftakt bildete ein optionales Bergzeitfahren im Dischmatal bei Davos, das zwar nicht in die Gesamtwertung einfloss, das sich aber kaum einer der etwa 430 Teilnehmerinnen und Teilnehmer entgehen ließ. Entlang am malerischen Dischmabach ging es auf gut 10 Kilometern knappe 450 Höhenmeter – mal flacher, mal steiler – zum Talende in Dürrboden. Die großen Leistungsunterschiede im Teilnehmerfeld wurden bereits bei diesem Zeitfahren deutlich: Die Stärksten waren mit einer Zeit um 21 Minuten mehr als doppelt so schnell unterwegs wie die Langsamsten, die für die Strecke eine knappe Dreiviertelstunde benötigten. Mit 31 Minuten und 48 Sekunden rangierte ich in der Altersklassenwertung im unteren Bereich und in der Wertung aller Starterinnen und Starter im Mittelfeld – eine Platzierung, die ich im Verlauf der folgenden Etappen mit leichter Tendenz nach oben behalten sollte. Da ich ohne Ambitionen (und Kapazität) auf einen Spitzenplatz gestartet war, geht dieses Ergebnis in Ordnung.

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1. Etappe: Davos – St. Moritz, 90 Kilometer, 2.159 Höhenmeter
Strahlender Sonnenschein, angenehme Temperaturen: die erste Etappe der TOUR-Challenge bestach gleich mit perfekten äußeren Bedingungen und einer beeindruckenden Strecke. Von Davos ging es hinab in Richtung Tiefencastel, wobei in Richtung Wiesen und Lantsch erste Anstiege das Feld in die Länge zogen. Der erste Scharfrichter der TOUR-Challenge war der Anstieg nach Mon, der den Starterinnen und Startern auf 6 Kilometern 500 Höhenmeter abverlangte. Nicht wenige dürften über diese steile Wand geflucht haben, nicht wenigen wird die Luft aber auch aufgrund der atemberaubenden Blicke in Richtung Lenzerheide und Davostal weggeblieben sein. Nach kurzer Abfahrt stieß man in Cunter auf die Julierpassstraße. Diese zieht sich in Treppenabsätzen hinauf bis auf 2.284m. Zunächst erschwerte starker Wind das Vorankommen, hinter Bivio blies dieser erfreulicherweise von hinten, was das Befahren der beeindruckenden Serpentinen zum Vergnügen werden ließ.

Die Abfahrt vom Julierpass – zunächst steil nach Silvaplana, dann flacher nach St. Moritz – war landschaftlich ein absoluter Höhepunkt der TOUR-Challenge. Wer die Region um die Engadiner Seen nicht kennt, sollte unbedingt einmal mit dem Rad, den Wanderschuhen oder den Langlaufskiern dorthin fahren. Meine persönliche erste Etappe war nach 4 Stunden und 5 Minuten als 100. meiner Altersklasse und 270. Overall beendet. Wie jeden Abend lud der Etappenort zu einer Pasta-Party ein und bot die Möglichkeit, in geselliger Runde die unterwegs neu geknüpften Freundschaften auszubauen und sich über das Erlebte auszutauschen.

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2. Etappe: St. Moritz – Lenzerheide, 132 Kilometer, 2.858 Höhenmeter
Die Königsetappe der TOUR-Challenge bei erneut grandiosem Wetter begann mit einem längeren neutralisierten Streckenteil, erst nach 42 Kilometern und nach absolvieren der kurvenreicher Malojapassabfahrt wurde das Rennen hinter der italienischen Grenze eröffnet. Und hier gleich: Rennfeeling pur! Das Feld feuerte mit 50 bis 60kmh auf gesperrten Straßen durch italienische Dörfer, in denen zahlreiche Zuschauer standen und klatschten – Gänsehaut! In Italien ist Radsport dann eben doch immer noch ein bisschen mehr und noch ein bisschen intensiver als anderswo. Das gilt auch für die sportliche Herausforderung, denn ab Chiavenna wartete der wohl schwerste Pass dieser TOUR-Challenge, der Splügen/Passo dello Spluga. Und – wie könnte es anders sein – genau bei diesem Anstieg über 29 Kilometer und 1788 Höhenmeter erwischte mich das erste und einzige Mal während des gesamten Rennens der berühmte Mann mit dem Hammer: Nach der Durchfahrung zahlreicher wunderschöner italienischer Dörfer im unteren Teil, der Vorbeifahrt am Lago di Prestone und der Überwindung der schwindelerregenden Steilwand von Pianazzo zog es mir auf den folgenden vier Kilometern bis zum Lago di Montespluga unerwartet und schmerzhaft den Stecker. Zum Glück fuhr in diesem Moment ein Freiburger Freund von hinten zu mir auf und schleppte mich bis zur Verpflegungsstelle im letzten Dorf vor der Passhöhe mit. Dort – wie bei allen Verpflegungsstellen während der gesamten TOUR-Challenge – gab mir ein reichhaltiges Angebot aus Getränken, Riegeln, Obst und Gels die Kraft zurück, um über den Pass zu fahren und die technisch ebenso anspruchsvolle wie landschaftlich beeindruckende Abfahrt nach Splügen und durch die Viamala-Schlucht nach Thusis zu überstehen. Zum Ende der Etappe hatte sich der Veranstalter ein besonderes Schmankerl einfallen lassen: Eine Bergankunft in Lenzerheide, jedoch nicht über die Hauptstraße, sondern über kleinste Sträßchen durch Muldain und Lain. Mit langen Steigungsabschnitten um 10% sah man hier nun einige der Teilnehmer aus insgesamt 22 Nationen ihr Rad schieben. Im Sattel, jedoch mit zwischenzeitlich einstelliger kmh-Zahl erreichte ich nach 5 Stunden und 52 Minuten als 96. meiner Altersklasse das Ziel in Lenzerheide und freute mich auf die Regeneration.

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3. Etappe: Lenzerheide – Davos, 107 Kilometer, 2.576 Höhenmeter
Um der Veranstaltung zu einem epischen Abschluss zu verhelfen, regnete es am Start der letzten Etappe bei zeitgleichem Temperatursturz um zehn Grad. Aber ehrlich gesagt: gerade diese besondere Note des Abschlusstages verstärkte noch einmal die Gefühlslage. Freute man sich schon vorher, die sportliche Herausforderung TOUR-Challenge zu meistern, fühlte man sich durch die erschwerten Bedingungen der letzten Etappe erst richtig geil

Erste Herausforderung des Tages war es, rechtzeitig, bevor der tägliche Taschentransportservice im Hotel klopfte, die richtige Bekleidung für die Etappe auszuwählen. Nach dem Start führten die ersten Kilometer in vorsichtiger Fahrt Richtung Tiefencastel und Alaveneu. Hier begann der Anstieg zum Albula, dessen abenteuerliche Trassenführung der Rhätischen Bahn zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. Ganz nebenbei bedeutet der 21 Kilometer lange Anstieg über 1.280 Höhenmeter auch eine veritable sportliche Herausforderung. Meine Taktik, möglichst nie im roten Bereich zu fahren, zahlte sich offensichtlich aus, den ausgerechnet an diesem verregneten Tag kletterte ich mühelos an zahlreichen Fahrern vorbei, die mich an den vorangegangenen Tagen noch abgehängt hatten und heute deutlich kämpften. Die Passabfahrt nach La Punt war nass, kalt und eklig, mehr kann man dazu nicht sagen. Die gute Streckensicherung und Schutzmaßnahmen vom Veranstalter zeigten sich – leider – im serpentinenreichen unteren Teil der Abfahrt, wo Motorradcrews eine Unfallstelle sicherten, wo ein gestürzter Teilnehmer in den bereits vor Ort befindlichen Rettungswagen geladen wurde – gute Besserung! Die Fahrt durch das Engadin Richtung Zernez glich dann eher wieder einem Radrennen, wurde doch bei leider wieder stärkerem Regen in der Gruppe Tempo gefahren. Die Verpflegungsstelle in Zernez ließ ich aus und startete motiviert in den letzten Anstieg der TOUR-Challenge, den 14 Kilometer langen Flüelapass, wo noch einmal 975 Höhenmeter warteten. Bei der Alpenwoche des RV Pfeil im Juni war dieser Pass noch Schauplatz eines Dreikampfs zwischen Willi, Dirk und mir gewesen, wobei die Auffahrt mit einem Schulterschluss an der Passhöhe geendet hatte. Die Streckenkenntnis half mir, ohne Krise nach oben zu kommen und dabei erneut Fahrer auf Fahrer einzusammeln. Auf der Passhöhe – zugleich Dach der gesamten TOUR-Challenge mit 2.383m – begannen die Glückshormone endgültig zu sprudeln. Nun wartete nur noch die Abfahrt, auf der ich im unteren, wenig technischen Teil noch einmal Vollgas fuhr, um die Etappe unter 5 Stunden zu beenden. Nach 4 Stunden und 58 Minuten kam ich in Davos an und bekam meine Medaille als Finisher der TOUR-Challenge.

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Fazit
Die TOUR-Challenge über insgesamt 348 Kilometer und 8.048 Höhenmeter ist neu im Radsportkalender, hat aber das Zeug dazu, eine feste Größe zu werden. Die Premiere des dreitägigen Etappenrennens durch die Ostschweiz mit einem optionalen Bergzeitfahren hinterließ einen rundum positiven Eindruck. Die Veranstaltung war sehr gut organisiert, die Strecke hervorragend gesichert, die Crew freundlich und motiviert. Jede Etappe hatte ihren eigenen Charme, die Anstrengung steigerte sich zum Ende der Rundfahrt, blieb aber gut machbar. Die TOUR-Challenge lieferte Emotionen, Erinnerungen und Eindrücke, von denen man im nahenden Winter noch lange zehren kann. Es steht zu hoffen, dass viele weitere Ausgaben folgen werden.