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Andreas Herrmann (hier bei der Abfahrt vom Idjoch) hat an der diesjährigen Craft Bike Transalp vom 14.-21. Juli 2012 - in acht Tagen von Oberammergau nach Riva am Gardasee - teilgenommen; für uns Daheimgebliebenen hat er alles aufgeschrieben.

 

Bike Transalp 2012 – Von Yetis und Fata Morganas

Heiliger St. Florian, ist das heiß hier! In Strömen laufen die wertvollen Mineralien aus meinem Körper und tropfen auf den glühenden Asphalt. Würde mich nicht wundern, wenn unter mir alles dampft. Ein Kontrollblick nach unten ist aber unmöglich, der Berg bäumt sich vor mir auf und fordert hundertprozentige Aufmerksamkeit. Der „Berg“ ist der legendäre Mortirolo-Paß zwischen Grosio und Ponte di Legno in der italienischen Provinz Sondrio.


Es ist Donnerstag 14 Uhr und wir befinden uns auf der sechsten Etappe, der Königsetappe des Mountainbike-Etappenrennens „Craft Bike Transalp 2012“. In Grosio, unten im Tal auf 600 Meter, hatte es 35 Grad im Schatten. Hier hat es gefühlte hundert Grad und ich entscheide mich zu schieben. Mit dem Mountainbike auf einer Asphaltstraße! Eigentlich undenkbar. Aber diese spezielle Straße wehrt sich schon über eine Stunde mit Steigungen zwischen 18 und 25% gegen ihre Befahrung durch meinen Teamkollegen Steffen und mich. Also gebe ich für eine Kehre klein bei und steige ab. Schließlich haben wir heute schon zwei Pässe, jede Menge ruppiger Karrenwege und eine Rüttel-Abfahrt von über 1.800 Höhenmetern hinter uns. Das zehrt und lehrt Demut.

Verpflegung auf 2500 m, am Idjoch

Blick ins Fimbachtal


Genau wie die bisher absolvierten fünf Renntage. Eine wahre Schlammschlacht brachte uns von Oberammergau nach Imst. Der Dauerregen machte die Abfahrten schmierig und gefährlich, so daß nach kaum zwei Rennstunden schon das erste Favoritenteam die Segel streichen mußte. Der ehemalige Europameister Thomas Dietsch aus dem Elsaß stand nach einem kapitalen Sturz nicht mehr auf und mußte notärztlich versorgt werden.


Wir hatten mehr Glück und durften am nächsten Tag nach Ischgl weiterzuckeln. Am brachialen, sehr steilen Anstieg zur Venetalm muß ich mich dann etwas übernommen haben. Jedenfalls waren die verbleibenden vier Stunden richtig bitter und ich dankte dem Radgott auf allen Vieren, als ich endlich hinter der Ziellinie auf dem Dorfplatz von Ischgl kollabieren durfte. Fast 3.300 Höhenmeter mit teilweise schmierigen Abfahrten fahren sich halt nicht einfach so runter. Vor allem nicht, wenn sich das Skigebiet hoch zum Idjoch vor einem auftürmt, das weitere Leiden für den kommenden Tag verspricht. Denn schon auf dem Weg in den bekannten Skiort weiß man, daß einen die krampfenden Beine bereits wieder in 15 Stunden die Skipisten bis in über 2.700 Metern transportieren müssen.

siegesgewiss am Idjoch

 

Schlammschlacht>>>


Bei dem eiskalten Wind und der ständigen Feuchtigkeit war es dann auch kein Wunder, daß es über Nacht bis unter die Zweitausendmetermarke geschneit hatte.

Bis wir die anspruchsvollen 3 Stunden zum Dach der diesjährigen Tour auf 2.737 Metern Seehöhe absolviert hatten, war die ganze Herrlichkeit aber schon wieder geschmolzen. Eiskalt blies der Wind und wir holten unsere Winterklamotten aus den Rucksäcken, vermummten uns und schossen wie Amundsen mit Klickpedalen der Schweiz und der Sonne entgegen. Wie so oft: kaum ist der Alpenhauptkamm überquert, lacht die Sonne und das Herz. Frisch motiviert genossen wir die anschliessenden traumhaften Trails und beim Schlußanstieg nach Nauders wurden erstmals richtig Plätze gutgemacht.

Auf der folgenden kurzen Etappe nach Scuol über wunderschöne Wege oberhalb des Reschensees hatte ich stark mit der nachlassenden Kraft meiner Bremsanlage zu kämpfen. Am Ende gab diese völlig ihren Dienst auf, so daß ich mich kurz vor dem Ende nur noch durch einen verzweifelten Hechtsprung in die Büsche vor dem drohenden Totalcrash retten konnte. Glücklicherweise war der Rest der Etappe flach, so daß ich ohne weitere Blessuren mein Schlachtroß ins Radkrankenhaus zu Shimano bugsieren konnte.


Für die 5.Etappe waren griffige Bremsen Pflicht. Schließlich lockte der phänomenal schöne Schweizer Nationalpark mit seinen Single-Trails und Traumpanoramen. Und dieser Streckenabschnitt erfüllte unsere Erwartungen ganz und gar. Die Sonne strahlte mit uns um die Wette, als wir mitten in der Wildnis einen endlosen Single-Trail mit Wahnsinns-Aussicht auf den Lago San Giacomo di Fraele abrockten. Da waren auch die fiesen Kotzrampen direkt vor dem Ziel in Livigno zu verschmerzen.

 

König Ortler

Trail am Ofenpass

So viel Kraft hatten die bisherigen fünf Etappen schon gekostet. So viele Emotionen freigesetzt. Und jetzt stehe ich hier auf einer Teerstraße und habe keine Lust mehr. Ich will in den Schatten liegen und schlafen. Aber haben wir uns dafür durch Modder, strömenden Regen und Eiseskälte gequält? Habe ich mich dafür auf dem Talweg im Paznauntal mehr überwunden als bei jedem Ironman? Habe ich dafür den armen Steffen immer weiter gepeitscht, wenn es ihm einmal dreckig ging und er nicht mehr so recht weiter konnte? NEIN, dieser Drecksberg kriegt mich nicht klein. Ist ja nur ne billige Teerstraße. Die Rennradler fahren zwar die flachere Variante und sparen sich die 20%plus-Rampen im unteren Teil, aber für Dich mit der kleinen MTB-Übersetzung sollte das doch kein Problem sein. Reiß Dich zusammen, Dicker!